Über 1000 Menschen bei Wahlkampftour von Ramelow und Gysi in Schleiz
Über 1000 Schleizer hingen Ramelow und Gysi an den Lippen bei deren Wahlkampfauftritt am Donnerstag in Schleiz.
Schleiz. Zwei Profis der guten Politunterhaltung bereicherten am Donnerstag den Wahlkampf um die Mandate im Thüringer Landtag: der Spitzenmann der Linken in Thüringen, Bodo Ramelow , und der Star aller Talkshows und Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi. Weit über 1000 Zuhörer waren auf den Neumarkt gekommen und hörten ohne Pfeifkonzert und Protestplakaten insgesamt zweieinhalb Stunden politische Weiterbildung mit höchstem Unterhaltungswert.
"Hier ist der Aufstand der Gartenzwerge", sagt Linke-Kreisgeschäftsführer Klaus Möller spitzbübisch lächelnd, der die Organisation der Veranstaltung in der Hand hat. Tatsächlich stehen Gartenzwerge mit roter Zipfelmütze und Miniplakaten, die einige Forderungen der Linken tragen, auf einem Tisch und werden heftig fotografiert. Ein gelungener Gag. Überhaupt ist die Medienpräsenz gewaltig für das kleine Schleiz, erheblich größer als bei der Kanzlerin vor einer Woche auf dem gleichen Platz. Thüringen gerät in den Fokus der Medien, denn es könnte der künftige Ministerpräsident in Schleiz sein.
Bodo Ramelow, der als erster das Wort ergreift, fühlt sich sichtlich wohl vor den Kameras und wippt im Rhythmus der Politshow-Begleitung "The Golden Sixties Band" mit den Beinen. Die "Goldenen Sechziger" beziehen sich hier eher auf die Musik, weniger auf die DDR, in der viele der Anwesenden dem Parteivorläufer SED angehörten. Aber das ist kein Thema in Schleiz, es geht um die Macht und um die Welt.
Bodo Ramelow zieht einen weiten Bogen von den NSU-Morden und der Rolle der Untersuchungsbehörden über diverse Kriegsschauplätze der Welt bis zum gebeutelten Haushalt vieler Kommunen in Thüringen und empfahl sich und die Linke als Problemlöser. Viel Beifall erntet er für den Vorschlag, Vattenfall die Saale-Kaskade abzukaufen. "Das können wir besser bewirtschaften", sagt der Wahl-Thüringer und sprach sich wie sein Folgeredner Gysi für die Kommunalisierung der Daseinsvorsorge in jeder Form aus - von der Wasserversorgung bis zum Krankenhaus. Erwartungsgemäß rückte er auch die Stromtrasse in den Mittelpunkt und geißelte die Energiepolitik der CDU, die nun angeblich auf der Seite der Trassengegner stehe, als "populistische Sandmännchenpolitik". Die Wertschöpfung müsse in der Region bleiben, auch bei der Energie. Ramelow spricht sich für ein weit höheres Mitspracherecht der Kommunen und der Bürger aus und macht das unter anderem an den Straßenausbaubeiträgen fest, die in Thüringen zwingend zu erheben seien, in Sachsen aber nicht.
Bravo- und Zugabe-Rufe auf dem Neumarkt
Gregor Gysi hat tatsächlich einen Stapel Papier mit, braucht ihn aber wohl nur als Orientierung, um nicht zu weit auszuufern. Er hat das Publikum sofort im Griff, springt von einem Krisenort der Welt zum nächsten und macht auch die Ursachen für die Probleme aus - die verfehlte Politik der US-Regierung und die Unterwürfigkeit der Bundesregierung gegenüber "Freunden", von denen sie sich auch noch ausspionieren lassen, wettert der Anwalt der Linken.
Der gewiefte und gewitzte Talk-Star nimmt die Bundesregierung auseinander, die Europäische Union, die eine "Entstaatlichung" betreibe, und rechnete den Zuhörern vor, in wie vielen beziehungsweise wenigen Händen sich das Vermögen dieser Welt befinde und wer eigentlich das Sagen habe. "Umverteilung von oben nach unten" ist seine Devise und ein Mindestlohn, der bei 10 Euro liege. Alles andere sei Schande.
Bravo. Beifall. Zugabe-Rufe auf dem Neumarkt. Gysi weiß, warum die Leute Linke wählen sollten: "Wenn Sie die Linke wählen, dann werden die SPD linker, die CDU sozialer und die Grünen ökologischer. Da haben alle was davon, sonst nur die Partei, die sie wählen."